Textausschnitte aus den "Kunstbetrachtungen"
Pirmin A. Breig
"Je empfindsamer man als Mensch ist, desto mehr erlebt man, dass Kunst Wirkung hat. Direkte und unmittelbare. Wenn ich mich vor ein Kunstwerk stelle und es auf mich wirken lasse, so ist die Wirkung dieses Kunstwerkes auf mich in direktester und unmittelbarster Weise, nämlich so, wie es sich mir selber zeigt. Das heisst in anderen Worten: Ein abstraktes Kunstwerk hat abstrakte Wirkung auf mich, ein nicht abstraktes nicht abstrakte, ein farbiges farbige und so weiter. Für den betreffenden Künstler, der Kunstwerke erschafft, heisst das somit, dass er sich, sofern er sich der Bedeutung von Kunst für den Menschen und ihrer Wirkung auf ihn in wirklicher und ernsthafter Weise bewusst ist, vor folgende Frage gestellt sieht: Was für eine Kunst ist es, die ich dem Menschen entgegenstellen will in Anbetracht dieser Tatsache, dass sich jegliche Form von Kunst in direktester und unmittelbarster Weise auf den Menschen und im Menschen auswirkt? Eine, die in destruktiver Weise an ihn herantritt oder eine, die ihn vielmehr in seinem ureigenen und konstruktiv-geistigen Menschsein erfasst?"
"Wäre der Mensch von seinem Ursprunge her nur ein sinnlich-materielles Wesen und nicht auch ein übersinnlich-geistiges, so wäre jegliche Bemühung für ein Geistiges in der Kunst sinnlos. Die heutige Kunst scheint sich nur noch mit dem Sinnlich-Materiellen auseinanderzusetzen, weil sie selbst nicht mehr an ein Übersinnlich-Geistiges als Ursprüngliches eines Menschen glaubt."
"Nicht dass ich mich einer heutigen Entwicklung der Kunst grundsätzlich oder generell entgegenstellen möchte, mitnichten, denn sie ist ja auch Ausdruck einer heutigen Zeit und muss deshalb als solche akzeptiert werden. Doch dass damit das Wesentliche einer Kunst, nämlich das (wirklich) Geistige, Inhaltliche, Tiefgründige, das seinerseits wiederum Bezug hat zum Menschen selbst, <...> , immer mehr verloren geht oder aber verloren gehen kann, ist es, was mich so sehr an einer heutigen Entwicklung stört. Denn die primäre Frage für die Kunst ist ja nicht: „Wieviel kann ich damit verdienen?“, „Wieviel Erfolg habe ich damit?“, „Werde ich damit berühmt?“ oder: „Spreche ich damit auch die reine Sinnlichkeit eines Betrachters an?“, sondern vielmehr zum Beispiel: „Welches ist ihr Inhalt?“, „Wie wirkt sie auf den Menschen?“ oder „Wem oder was dient sie?“ Sich selbst vielleicht, sodass es den Menschen dafür auch gar nicht mehr braucht, oder eher einem Allumfassenderen, nämlich auch dem Menschen, damit er durch sie in seinem eigenen (höheren?) Menschsein, in seiner eigenen (höheren?) Entwicklung umso mehr begriffen, vielleicht sogar grundsätzlich wieder bewusst gemacht werden kann?"
"Abstrakte Kunst hilft mit, dem Menschen sein Geistiges vergessen zu lassen, weil sie nichts mehr wirklich Konkretes ausser Abstraktionen zur Darstellung bringt."